Im Martinsviertel bin ich aufgewachsen, auch mein Vater ist dort geboren und groß geworden. Menschen, die dort wohnen, nennen es auch liebevoll „Watzeviertel“. Dieser Stadtteil hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Früher war es ein eher einfaches Wohngebiet, bis in die 60er Jahre gab es noch Bauernhöfe. Ich habe als Kind noch vom Balkon meines Elternhauses in der Pankratiusstraße die Hühner unseres Vermieters im Hof gefüttert.
Auf diesen Seiten zeige ich eine Zeitreise durchs Martinsviertel. An verschiedenen Orten aufgenommene Fotos, die, durch digitale Technik übereinander gelegt, die Veränderungen über Jahrzehnte anschaulich machen.
Wie und warum sind die Bilder auf diesen Seiten entstanden?
Im Winter 1967 ist Klaus Achenbach, ein Freund meines Vaters, mit seiner Kamera durch das Martinsviertel gewandert. Er hat rund 30 Aufnahmen gemacht. Zum 30. Geburtstag meines Vaters im März hat er daraus ein kleines Fotoalbum zusammengestellt.
Die erste Seite ist mit „durchs Watzeviertel“ beschriftet. Warum und wie er auf diese Idee kam, kann ich nur vermuten. Es sind, neben ein paar Ansichten wie der Martinskirche oder ganzen Straßenzügen, hauptsächlich Kneipen, die er fotografiert und meinem Vater geschenkt hat.
Dies führe ich darauf zurück, dass die beiden ausgewiesene Kenner der damaligen Gastronomie waren. Bei meinen Nachforschungen habe ich auch erfahren, dass mein Vater in der Kneipenmannschaft des damaligen „Frankfurter Hof“ Fußball gespielt hat. Dies war vor meiner Zeit. Ich bin erst 1968, ein Jahr nach dem Entstehen der ersten Bildern, geboren. Ich kann mich nur noch erinnern, dass er bei den alten Herren des SV Darmstadt 98 gekickt hat.
Das kleine Fotoalbum hat nach 1967 viele Jahre im Wohnzimmerschrank meiner Eltern neben den Alben mit den Familienfotos verbracht. Ab und an wurde es hervorgeholt, darin geblättert und wieder zurückgelegt.
In dieser Zeit hat mir Klaus Achenbach eine seiner alten defekten Kameras zum Auseinanderschrauben und Basteln geschenkt. Ich habe sie irgendwie wieder zum Knipsen gebracht und bin dann ein paar Jahre später Fotograf geworden.
Hätte er das nicht getan, weiß ich nicht, was ich heute machen würde. Ich wäre vielleicht Lokführer, Feuerwehrmann oder Astronaut geworden, wer weiß.
1990 habe ich mir das kleine Album neugierig wieder angeschaut. Ich war gerade in der Fotografenausbildung und habe mich damals sehr für Schwarzweißfotografie interessiert. Im März, zum damals 53. Geburtstag meines Vaters, habe ich alle Bilder darin von den möglichst gleichen Standpunkten noch einmal fotografiert. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Bäume, Autos und Schilder waren inzwischen an Stellen, wo es 1967 nur Kopfsteinpflaster gab.
Herausgekommen ist wieder ein Fotoalbum. Die gleichen Orte, aber inzwischen andere Kneipen, aufgestockte oder abgerissene Häuser und viele andere Veränderungen. Diese Bilder habe ich in ein ähnliches Album geklebt, mein Vater hat sich gefreut und Spaß gehabt, darin zu Blättern und die Motive zu vergleichen.
Per Klick durch ein halbes Jahrhundert
2007 sind mir die beiden Fotoalben wieder in die Hände gefallen. Also habe ich mir meine, inzwischen digitale Kamera geschnappt und habe die Aufnahmeorte erneut abgeklappert. Dabei entstand die Idee, die damals neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen und die Veränderungen durch Überblenden der Bilder sichtbarer zu machen. Die Bilder exakt übereinander zu legen war schwierig, denn oft war der genau gleiche Aufnahmestandpunkt nicht mehr möglich. In einigen Fällen ist es annähernd perfekt, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Ich hatte das auf meiner damaligen Homepage gezeigt. Mein Vater und auch Klaus Achenbach lebten nicht mehr, aber ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen.
Inzwischen sind wieder mehr als 10 Jahre vergangen. Und im Martinsviertel hat sich erneut viel verändert. Stichwort Nachverdichtung: Lücken werden geschlossen, alte Häuser durch neue ersetzt oder renoviert. Seit November 2019 bin ich mit der Kamera unterwegs, die Ergebnisse zeige ich auf den folgenden Seiten.
Ich hoffe, Sie nehmen sich Zeit zum Anschauen. Auch Kleinigkeiten wie Autos, Werbeschilder oder Fußgänger sind interessant zu vergleichen.
Klaus Achenbach und mein Vater hätten sicher viel Freude die Seiten anzuschauen. Und ganz sicher würden sie zu jedem Bild, jeder Kneipe Anekdoten zum besten geben.
Viel Spaß bei der Zeitreise.
Alle Fotos der Martinsviertel-Zeitreise © as-PROmedia / Arthur Schönbein
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